Blog der Servicestelle

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns sehr, dass Sie den Weg zum Blog der Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung des Landes Baden-Württemberg gefunden haben. Wir, die Mitarbeitenden der Servicestelle, berichten an dieser Stelle von unseren Projekten und erläutern wichtige Zusammenhänge rund um Bürgerbeteiligung. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Kontaktieren Sie uns gerne, falls Sie Fragen oder Anregungen haben. Und selbstverständlich besonders dann, wenn wir auch Ihnen helfen können, einen Beteiligungsprozess zu verwirklichen!

Verzögert Bürgerbeteiligung Entscheidungen? Schafft sie gar Bürokratie?

Mit diesen Einwänden werden wir häufig konfrontiert. Was steckt dahinter?

Immer wieder hören wir den Einwand gegen Dialogische Bürgerbeteiligung, dass sie Entscheidungen verzögere. Zuletzt hieß es sogar, die Bürgerentschiede müssten weniger werden, sie seien Grund für Bürokratie.

Schauen wir uns das näher an. Zunächst müssen wir trennen zwischen den Begriffen, denn Bürgerentscheide und dialogische Bürgerbeteiligung sind nicht das Gleiche. Es sind sogar drei Kategorien zu unterscheiden: die Direkte Demokratie, die Öffentlichkeitsbeteiligung und die (Dialogische) Bürgerbeteiligung (dazu auch unsere FAQ).

  1. Die Direkte Demokratie ist eigentlich keine Beteiligung. Es ist vielmehr eine Entscheidung. Die Bürgerinnen und Bürger beenden in der Wahlkabine einen Streit, in dem es meistens zwei konkurrierende Alternativen gibt. Also z.B. Ja oder Nein zum neuen Gewerbegebiet oder einem neuen Rathausgebäude. Damit es zu solchen direktdemokratischen Abstimmungen kommen kann, müssen zunächst einige Hürden genommen werden. Wie zum Beispiel die Unterschriftensammlung oder die Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Diese sind klar gesetzlich geregelt. Das hat nichts mit Bürokratie zu tun. Zuletzt hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof – für die Direkte Demokratie auf Landesebene - sehr breit dargelegt, dass Volksgesetzgebung und Parlamentsgesetzgebung nebeneinander stehen (Quelle: https://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/bayverfgh/18-viii-19__19-vii-19-entscheidung.pdf; dort Rn. 127).
  2. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist im Kern eine Anhörung. Sie ist Teil von Verwaltungsverfahren. In der Regel können sich in diesen Anhörungen nur Personen einbringen, die von der anstehenden Entscheidung betroffen sind (§§ 25 Abs. 3, 74 Abs. 3 LVwVfG ). Öffentlichkeitsbeteiligung lässt meist keinen Raum für Dialog. Die „Eingaben“ oder „Aussagen“ der Betroffenen werden gesammelt, zusammengefasst und dann im weiteren Verfahren berücksichtigt.
  3. Die Dialogische Bürgerbeteiligung verfolgt andere Ziele als die direkte Demokratie und die Öffentlichkeitsbeteiligung. Sie dient dazu, Bedürfnisse der Bevölkerung zu erkunden (§ 1 DBG). Es geht um den politischen Diskurs. Es werden Räume geschaffen, in denen unterschiedliche Argumente und Sichtweisen zu einem Thema in ihrer ganzen Tiefe ausgetauscht werden können. Immer mit dem Ziel, Empfehlungen für die besten Wege zu entwickeln. Dialogische Bürgerbeteiligung stärkt die repräsentative Demokratie. Sie hilft den Parlamenten, Gemeinderäten und Behörden, eine Entscheidung gut vorzubereiten. Mehr Beschleunigung ist nicht denkbar.

Mittlerweile ist übrigens auch wissenschaftlich gut nachgewiesen, dass Dialogische Bürgerbeteiligung durchaus beschleunigenden Charakter hat. Die Planung des Fehmarnbelt-Tunnels zwischen Deutschland und Dänemark gab der Wissenschaft die seltene Möglichkeit zum Vergleich (zuletzt dazu Julia Wolff in ZUR 2024, 220 [222). Während in Deutschland rund 16.000 (v.a. ablehnende) Einwendungen eingingen, waren es in Dänemark beim selben Projekt nur rund 40. Der Grund war schnell gefunden: In Dänemark wurde viel ernsthafter und mit einer anderen Haltung Bürgerbeteiligung durchgeführt.